10 jahre thurvita today

Obugoo: Vermittler der Generationen

Der 27-jährige Yves Gugger will mit einer Internetplattform zwischen alt und jung vermitteln. (Feiner Artikel von Oliver Graf aus der Limmattaler Zeitung)

Er hatte gerade seinen ersten Zivildiensteinsatz in einem Altersheim hinter sich gebracht. Und er war fasziniert davon, was er in diesen vier Wochen von den Bewohnerinnen und Bewohnern alles gehört hatte. «Da liegt ein unermessliches Reservoir an Wissen und Geschichten, das ungenutzt bleibt», stellte Yves Gugger fest. Und die Seniorinnen und Senioren würden dieses Wissen eigentlich gerne weitergeben, doch viele von ihnen hätten keinen Anschluss an die Gesellschaft, fühlten sich ins Altersheim abgeschoben, wie sie dem heute 27-Jährigen sagten.

Irgendwie, sagte sich Gugger, als er nach dem Zivildienst am Strand lag und die gewonnenen Eindrücke Revue passieren liess, müsste sich dieses enorme Wissensreservoir doch anzapfen und aktivieren lassen.

Im Rahmen seiner Masterarbeit an der Zürcher Hochschule der Künste hat er sich nun mit dem Thema «intergenerativer Austausch» beschäftigt. Und er hat eine Internetplattform geschaffen, auf der über 63-Jährige ihre Hobbys, ihre Fertigkeiten oder ihr spezielles Wissen angeben können. Unter 63-Jährige können auf der Plattform «obugoo.com», die vor wenigen Wochen im Internet aufgeschaltet wurde, diese Angebote durchforsten und eine Anfrage für ein Treffen verschicken.

Yves Gugger, Gründer der Internetplattform Obugoo.

Yves Gugger geht es primär darum, Kontakte im realen Leben zu vermitteln. Eine anfängliche Idee, es Senioren einfach zu ermöglichen, im Internet eine Art Lexikoneinträge zu verfassen, hat er schnell fallengelassen. «In diesem Fall würden sie einmal im stillen Kämmerlein etwas schreiben. Danach wäre es erledigt, und sie würden nicht mehr gebraucht.»

obugoo-foto1

Der im Kanton Aargau aufgewachsene, inzwischen in der Stadt Zürich lebende Yves Gugger will zwischen den Generationen vermitteln und dabei einen «echten Austausch, insbesondere auch ausserhalb der engen Familiengrenzen, ermöglichen». Die Älteren sollen ihr Wissen im direkten Kontakt und bei Interesse immer wieder vermitteln können.

Bewusst von oben nach unten

Die Internetplattform ist so ausgestaltet, dass der Wissenstransfer strikt nur von oben nach unten vorgesehen ist. Natürlich könnten theoretisch auch Jugendliche älteren Personen Dinge beibringen, etwa das Bedienen eines Handys. «Würde dies Obugoo aber ebenfalls zulassen, dann wäre sie einfach eine x-beliebige Tauschplattform», sagt Gugger.

Sein Ziel ist, dass sich Senioren einbringen können, dass sie ein Teil der aktiven Gesellschaft bleiben können. Deshalb will er sein Internetangebot konsequent so ausrichten. «Und es ist ja nicht ausgeschlossen, dass nach einem ersten Treffen eine Freundschaft entsteht und die jüngere Person der älteren doch noch das Handy erklärt», sagt Gugger lachend. Denn er erhofft sich einen Wandel der Wahrnehmung: «Alt ist doch nicht gleichbedeutend mit langweilig, langsam und staubig.» Diesem Klischee will er mit seiner Internetplattform entgegentreten.

Seine Masterarbeit in «Interaction Design» hat Yves Gugger nun abgeschlossen. Damit ist seine Arbeit an Obugoo aber nicht beendet. «Die Plattform läuft jetzt, nun muss sie auch noch bekannt werden.» In seiner Freizeit treibt er das Projekt deshalb aus Überzeugung weiter voran. Er stellt die Plattform in Altersheimen vor, geht bei Vereinen, Organisationen und Schulen vorbei.

Bislang haben sich, obwohl der Plattformgründer noch nicht viel Werbung gemacht hat, rund 70 Personen im Alter zwischen 16 und 82 Jahren auf Obugoo registriert. Vereinzelt ist es bereits zu Treffen gekommen. Das Feedback ist positiv ausgefallen, wie Videos zeigen.

Gründer glaubt an das Potenzial

Ob Obugoo dereinst zu einem Erfolg wird, lässt sich kaum voraussagen. Fraglich scheint, ob sich die grosse Gruppe der U63 überhaupt für einen intergenerativen Austausch interessieren lässt. Gugger ist optimistisch: «Das Potenzial ist sicher da.» Die Bandbreite von möglichen Interessen sei ja enorm. Derzeit bieten etwa verschiedene über 63-Jährige an, ihre Kochrezepte zu verraten, Angel- oder Reisetipps weiterzugeben, in Fremdsprachen zu plaudern oder gar beim Segway-Fahren zu helfen. Und Gugger denkt auch an Schüler, die Referate halten müssen: «Sie müssen doch nicht einen trockenen Lexikon-Beitrag zusammenfassen, in jedem Altersheim hat es Zeitzeugen und Experten, die einen Bericht lebendiger gestalten können.» Das Reservoir sei gross; jetzt müsse es nur noch angezapft werden.

(az Limmattaler Zeitung, 4. Juli 2015) Hier gehts zum Zeitungsartikel im Web   Und hier als PDF: obugoo

Facebooktwitterpinterestlinkedinmail

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.