Daheim statt im Pflegeheim

Ein Interview der Wiler-Nachrichten mit Therese Gerber, Leiterin ambulante Leistungen (Spitex):

Daheim statt im Pflegeheim: «Ein gutes soziales Umfeld ist wichtig»

20.10.2016 06:58

Pflegeheim oder Spitex? Vor diese Entscheidung werden Familienangehörige von betagten oder chronisch kranken Menschen häufig gestellt. Diese Entscheidung zu fällen ist nicht immer leicht, weiss Therese Gerber, Leiterin der Thurvita Spitex Wil.

Wil Rund 85 Prozent der vom etwa 70-köpfigen, ausschliesslich weiblichen Thurvita Spitex-Pflegepersonal in und um Wil betreuten Menschen sind über 70 Jahre alt. Wann ein Mensch zum Pflegefall wird und eine ambulante Pflege und Betreuung durch die Spitex nicht mehr ausreichend ist, dafür gibt es laut Therese Gerber, Leiterin der Thurvita Spitex Wil, heute keine allgemeingültige Formel mehr. Früher habe das jedoch anders ausgesehen: «Es galt die Regel, dass sobald bei einer Person auch eine nächtliche Pflege von Nöten war, sie die Kriterien für eine Unterbringung in einem Pflegeheim erfülle.» Heutzutage seien dafür noch ganz andere Variablen ausschlaggebend.

Bedürfnis nach Sicherheit

«Ein gutes soziales Umfeld ist bei hohem Pflegebedarf wichtig für den Verbleib in den eigenen vier Wänden», so Gerber, die seit März 2013 Leiterin der Thurvita Spitex Wil ist. Aber auch dann, wenn die Betroffenen aufgrund ihrer sonstigen noch immer vorhandenen Vitalität in ihrem Zuhause verbleiben könnten und eine Pflege durch die Spitex aus medizinischer Sicht ausreichen würde, sei dies nicht immer auch gleich das Richtige. «Nicht alle sind zu Hause am besten aufgehoben», sagt Gerber. Denn oftmals sei nebst der Einsamkeit im Alter auch das Bedürfnis nach Sicherheit bei älteren Menschen essenziell. Diese Sicherheit etwa könne durch eine stationäre Pflege in einem Altersheim gewährleistet werden. «Diese Art des 24-Stunden-Services ist so heute bei der Spitex nicht möglich, da Spitex-Leistungen planbar sein müssen», sagt Gerber. «Unser Ziel ist es aber, für unsere Klienten insbesondere die Aspekte Sicherheit und soziale Teilhabe mit dem Projekt ‘Älter werden im Quartier’ und den geplanten Alterswohnungen in Bronschhofen auf ein ähnliches Level zu heben, wie man es bereits vom stationären Bereich kennt.»

 

Betreuung kostet extra

Pflegeheim und Spitex miteinander zu vergleichen sei jedoch generell schwierig. Trotzdem beton Gerber die Fortschritte, die seitens der Spitex jüngst gemacht wurden. «Seit Juni haben wir einen fixen Nachtdienst, wie man ihn bereits aus grösseren Städten wie St.Gallen oder Winterthur kennt», so Gerber. Dieses Angebot mache die Thurvita Spitex in der Region führend. Nicht zuletzt ist auch die Kostenhöhe für den Entscheid ob ambulante oder stationäre Pflege für viele Betagte und deren Angehörige ausschlaggebend. «Monatlich kostet der Aufenthalt in einem Pflegeheim der Thurvita in der Region Wil ab 4500 Franken», sagt Gerber. Darin enthalten seien alle Leistungen für Verpflegung und Hotellerie inkl. Wäscheservice. Dazu kommt die Eigenbeteiligung und die Betreuungstaxe. Die Pflege wird separat mit der Krankenkasse abgerechnet. Wie viel eine adäquate Leistung im eigenen Zuhause durch die Unterstützung der Spitex monatlich kostet, könne Gerber nicht im Detail beziffern. Zum einen muss bei der Spitex zwischen Pflege und Betreuung unterschieden werden. Die Pflegekosten werden von der Krankenversicherung übernommen, wobei eine Tagessatz von maximal 15,95 Franken dem zu Pflegenden zu Lasten fällt. Im Gegensatz zur Pflege müssen die Kosten für hauswirtschaftliche Leistungen und Betreuung mehrheitlich vom Klienten getragen werden. Direkte Vergleiche zwischen den Kosten für die ambulante und stationäre Versorgung anzustellen sei jedoch schwierig.

Alternative zum Pflegeheim

Aufgrund der Fusion der Thurvita mit der Spitex Anfang 2013 sei die Spitex wegen der geänderten Strukturen unabhängiger geworden. Mit der Unabhängigkeit sei aber auch die Verantwortung in der Führung der Spitex gestiegen. «Die Vernetzung hat sich auch positiv auf die Umsetzung von Projekten ausgewirkt», so Gerber. So sei etwa der in Bronschhofen geplante Bau von 35 Alterswohnungen samt eines Quartierstützpunkts erst durch den Zusammenschluss möglich geworden. Läuft alles nach Zeitplan, werden die Bauarbeiten für die Siedlung auf dem Areal zwischen Hauptstrasse und Bahnhofstrasse 2018 beginnen. «Von Alters-WG halte ich nicht so viel», sagt Gerber. Die Alterssiedlung in Bronschhofen hingegen sei eine gute Alternative für all jene, die nicht in ein Pflegeheim wollen, aber Pflege benötigen und sich trotzdem ein lebendiges Umfeld mit sozialen Kontakten und Sicherheit wünschen. «Am Schluss ist die Zufriedenheit der zu pflegenden Person am wichtigsten», sagt Gerber. Der Entscheid über die Art der Pflege sowie über den Ort der Unterbringung von Betagten oder chronisch Kranken müsse daher individuell getroffen und den Bedürfnissen angepasst werden.

Dominique Rais

 

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